Am 9. Juni entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Volksinitiative der Mitte-Partei zur Einführung einer Kostenbremse für die obligatorischen Krankenversicherungsausgaben. Im Wesentlichen würde die Initiative zwei Dinge ändern. 

Erstens würde sie klären, wer für die Kostensteuerung verantwortlich ist. Der Bund. Er muss zusammen mit den Kantonen dafür sorgen, dass die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung nicht stärker steigen als das Wirtschaftswachstum. Diese Zuweisung der Verantwortung wäre eine kleine Revolution. Heute ist niemand verantwortlich für die Kostenkontrolle. Obschon die Bewohner und Bewohnerinnen der Schweiz mit ihren obligatorisch zu bezahlenden Beiträgen und Steuern bald 50 Milliarden Franken jährlich an die KVG-pflichtigen Leistungen bezahlen. Sie sind damit zwangsversichert in einem System, dessen Gesamtkosten von niemandem gesteuert werden.

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Zweitens gibt die Volksinitiative eine maximale Wachstumsrate für das Kostenwachstum vor. Die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung sollten etwa im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum zunehmen dürfen. Diese starre Vorgabe könnte der Volksinitiative zum Verhängnis werden. Allerdings enthält jede Volksinitiative einen gewissen Spielraum für Interpretationen. Und für die nächsten fünf bis zehn Jahre wäre das Ziel wohl auch gut vertretbar. Experten und Expertinnen beziffern das Einsparpotenzial in der obligatorischen Krankenversicherung auf bis zu 20 Prozent der heutigen Ausgaben. Die höheren Kosten wegen der Alterung und des medizinischen Fortschritts könnten also in den nächsten Jahren auch im Rahmen der Volksinitiative finanziert werden.

Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Der Bundesrat wollte der Volksinitiative einen Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe gegenüberstellen. Dieser wollte es dem Bundesrat überlassen, die Ziele für das Kostenwachstum festzulegen. Damit wollte er besser auf veränderte Bedürfnisse oder Innovationen im Gesundheitswesen reagieren können. Der Gegenvorschlag sah griffige Massnahmen vor, wenn die Kosten zu stark steigen, wie es auch die Volksinitiative verlangt. Leider hat das Parlament alle verpflichtenden Massnahmen zur Kostendämpfung aus dem Gegenvorschlag entfernt. Zielüberschreitungen würden ohne Folgen bleiben. Es bleiben runde Tische und Zielformulierungen, aber keine verbindlichen Massnahmen.

Auch wenn die Chancen der Volksinitiative gering sind: Eine klare Zuordnung der Verantwortung für die Kostenentwicklung an den Bund mit verbindlichen Vorgaben an die Kantone hätte viele Vorteile. Bund und Kantone müssten zur Zielerreichung die nötige Transparenz schaffen und sich die entsprechenden Daten beschaffen. Heute weiss beispielsweise niemand, wie sich die Kosten und Leistungen der ambulanten Leistungserbringer nach Fachgebiet entwickeln. Während die Leistungsanbieter sich innerhalb von Monaten an neue Rahmenbedingungen anpassen, braucht es Jahre, bis Fehlanreize in den öffentlichen Statistiken sichtbar werden.

Und wenn sie sichtbar werden, dauert es Jahre, bis möglicherweise Massnahmen ergriffen werden. Um eine effiziente Steuerung zu ermöglichen, müsste es auch möglich sein, Tarife in einer vernünftigen Zeit an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Nur: Solange niemand steuert, werden auch die zur Steuerung nötigen Instrumente nicht geschaffen.

Wird die Volksinitiative der Mitte abgelehnt, werden wir wohl noch Jahre das gleiche Spiel erleben: Jeden Herbst neue Prämienerhöhungen – und jeden Herbst weisen Leistungserbringer, Versicherungen, Kantone und der Bund im Chor darauf hin, dass nicht sie dafür verantwortlich sind.